Hallo Herr Lindner!
Vielen Dank nochmal für Ihre öffentliche Entschuldigung wegen Erfurt. Aber: „keine Ursache!“ möchte man erwidern. Denn ehrlich gesagt: ich hab immer noch nicht verstanden, worin eigentlich genau der Vorwurf gegen die FDP besteht. Wenn eine radikale Partei einen Liberalen wählt, wenn sich zwischen Kandidaten der radikalen Linken und der radikalen Rechten aus unerwarteter Herumtaktiererei ein Demokrat durchsetzt, ist das nicht erfreulich? Wieso entschuldigen? Nun zieht sich der Demokrat zurück und die Demokraten wählen womöglich einen Kandidaten der Radikalen. Und Grund dafür ist Druck, der wesentlich von Radikalen aufgebaut wurde mit Drohbriefen und Angriffen auf Parteibüros um die Demokratie vor Radikalen zu schützen? Verwirrend.
Zu viel Hysterie
Verrückt auch, dass ich noch vor wenigen Tagen Ihrer Kollegin Frau Skudelny geschrieben hatte, um sie um verbale Abrüstung zu bitten. Gut, Frau Skudelny hatte nicht unbedingt wild gepoltert, aber sie hat auch keinerlei Widerrede erhoben, als man gemeinsam mit ein paar Politikerkollegen in einem TS-Interview über die vielen Spinner mit ihrem Hass herzog und vor allem ihre Kollegin Kaufmann von den Grünen etwas verklausuliert über zu viel Meinungsfreiheit wehklagte. Sie wissen schon, das Lied vom wuchernden Pöbel, der immer unverschämter die Wiedereinführung des Faschismus fordert. Und nur 4 Tage später sind Sie selbst zur Zielscheibe hanebüchener Nazi-Vorwürfe geworden! Womit ja nur ein weiteres Mal belegt wäre, dass ein gehöriger Teil des sich epidemisch ausbreitenden Rechtsradikalismus‘ doch nur linke Hysterie ist. F in FDP = Faschismus? So ein Blödsinn.
Dem Shitstorm mal trotzen
Herr Lindner, ich wünsche Ihnen und der FDP, dass die Verunglimpfungen und Schmähungen gegen Sie bald vergessen sind und keine hässlichen Rückstände hinterlassen. Aber, offen gestanden, es hätte auch was, wenn was hängen bliebe! Am allercoolsten wäre ja gewesen, wenn Sie einfach nicht umgekippt wären! Was für ein Hammer, wenn Sie sich gegen die Kaninchen-Taktik entschieden und dem Shitstorm einfach widerstanden hätten! Wenn Sie „Kinder, beruhigt euch mal wieder!“ gerufen hätten oder zumindest mal aus Spaß einen Tag mit strengem Seitenscheitel zur Arbeit gegangen wären. Dann wäre zwar Ihr Ruf jetzt so nachhaltig ruiniert, dass Sie fortan und unwiederbringlich zum Lager der Abweichler, der Ungläubigen, der Häretiker gehören würden, aber ganz bestimmt hätte Ihnen das auch viel Sympathie gebracht!
Willkommen bei den Dunkel-Demokraten
Was meinen Sie, vielleicht könnten wir ja einfach die Grenze zum Faschismus so weit nach links verschieben, dass auf der Seite des Lichtes nur noch die Grünen und die Antifa übrig bleiben! Das sollte nicht so schwer sein, offensichtlich reicht ja der Vorwurf und muss nicht großartig begründet werden. Die Kollegen von der Linkspartei haben sogar Angst mit AfD-Schergen gemeinsam Aufzug zu fahren weil das ja gewissermaßen eine physische Nähe zum Nationalsozialismus ausdrückt (nicht auszudenken, sie würden auch noch dieselbe Etagentaste drücken, da wäre ja die Analogie zum Hitler-Stalin-Pakt praktisch unausweichlich!). Aber wenn wir uns alle Faschisten nennen, dann würden wir zwar den richtigen Faschismus verharmlosen, könnten aber unter neuem Label wieder ungestört Demokratie leben! Mit hässlichem Namen aber dafür mit Meinungsfreiheit! Ist der Ruf erst ruiniert, debattiert es sich ganz ungeniert! Für eine pluralistische Gesellschaft und für das, was man dem Lehrbuch nach Demokratie nennt, wäre es ein Geschenk. Herzlich willkommen auf der dunklen Seite der Demokraten!
Mit besten Grüßen,
Gero Ambrosius