Nach fest kommt locker – Wider die Banalisierung des Bösen!

Hallo Herr Ku!

Ich wollte mich mal kurz melden wegen Ihres Antivirus-Artikels im Tagesspiegel. Offenbar werden Sie ja Ihrem Beitrag zufolge normalerweise nur mit halbherzigen Ausgrenzungsversuchen wie der Frage nach Ihrer Herkunft konfrontiert. Ich finde es deshalb sehr clever von Ihnen, dass Sie die Gelegenheit nutzen, sich daran zu beteiligen, die Angst vor dem Corona-Virus zum Rassismus hochzujazzen und sich selbst zum Opfer aufzuwerten. Sehr konsequent, wie Sie den Vorwurf denen gegenüber erheben, die sich bei Ihren Recherchen zu einem Artikel über Panda-Babys auch nur des leisen Verdachtes schuldig gemacht haben, sich durch Ihr asiatisches Äußeres an den chinesischen Virus erinnert zu fühlen. Besonders imponiert mir, wie elegant es sogar gelingt, die Leute in die Nähe nationalsozialistischer Massenmörder zu rücken! Darauf zielt doch der IchBinKeinVirus-Hashtag ab, oder? Noch ein bisschen mehr Schärfe, von wegen Ungeziefer und so? Das ist klug, man soll ja die Chancen nutzen, die sich einem im Leben bieten. Sonst wäre es ja nur zu einem langweiligen Artikel über Panda-Babys gekommen. Fast meine ich, auf dem Foto zum Beitrag umspielt ein Lächeln Ihre Lippen! Eine Anregung wäre allenfalls noch, Ihren Auftraggebern vom TS vorzuwerfen, dass ausgerechnet Sie den Artikel über die Pandas schreiben mussten.

Entsetzliche Pauschalisierungen!

Leider bin ich selbst nur autochthon, blond und blauäugig usw. Aber meinen Sie, ich könnte vielleicht trotzdem mal einen ähnlichen Artikel im TS unterbringen? Vielleicht zum Thema Sexismus? Es ist mir nämlich schon ein paar mal passiert, dass sich Menschen ganz kurz vor mir erschreckt haben, vor allem nachts. Nur weil ich ein Mann bin und vielleicht nicht so zu den niedlichen kleinen Dicken gehöre und auch offenbar noch nicht alt genug wirke. Man kennt das: in dunklen Straßen, menschenleer, schlechte Gegend, reagieren unreflektierte Menschen auf eine entgegenkommende Gruppe junger Männer meist deutlich nervöser, als auf eine Gruppe alter Damen. Sie und ich, wir beide wissen, dass das eine fürchterliche Pauschalisierung, dass das altersdiskriminierender Sexismus ist! Denn selbstverständlich ist die überwältigende Mehrheit aller Männer vollkommen harmlos und natürlich gibt es auch unter Hooligans und Axtmördern alte Damen. Aber der Pöbel reagiert in seiner Dumpfheit eben mit pauschaler Diskriminierung.

Meinen Sie, Sie könnten mich dabei unterstützen? Ich habe die leise Befürchtung, dass ich sonst irgendwann zu einem von denen werde, die sich diskriminiert fühlen, weil sie zu keiner Minderheit gehören. Das wollen wir doch sicher beide nicht.

Rassismus nicht banalisieren

Ganz im Ernst: Rassismus ist ein viel zu ernstes Problem, als dass wir leichtfertig mit dem Begriff spielen und ihn durch inflationäre Verwendung entwerten sollten. Wenn wir ihn anwenden auf Vorfälle, die vielleicht unschön, aber harmlos sind, erreichen wir nur seine Entschärfung. Millionen denken dann: jaja, Rassismus…, oder: ach, interessant, wenn das schon Rassismus ist, was gibt es denn dann noch Spannendes in die Richtung!? Und die echten Nazis fühlen sich in der unnötig großen Masse der zu Unrecht Verurteilten wie Fische im Wasser.

Ich würde mich freuen, wenn Sie mir antworten und würde Ihre Rückmeldung dann gerne ebenfalls hier veröffentlichen!

Mit freundlichen Grüßen,

Gero Ambrosius