Liebe Kollegen der GEW,
als Sozialarbeiter bin ich seit einigen Jahren Mitglied bei euch, obwohl ich, über das Vertreten von Arbeitnehmerinteressen hinaus, regelmäßig mit den politischen Positionen der GEW große Probleme habe. Unter anderem ist es deshalb dringend mal an der Zeit euch zu schreiben wegen eurer Dauer-Kampagne gegen die Bundeswehr. Seit Jahren wird aus der GEW von Auslandseinsätzen bis zur „Militarisierung“ von Hochschulen augenscheinlich alles beklagt, was nur irgendwie mit Militär zu tun hat. Vor allem habt ihr euch aber schwer in eine Fokussierung auf „Kindersoldaten“ in der Bundeswehr verrannt. Vermutlich einfach, weil es so schön dramatisch klingt und jeder an 10jährige mit Maschinengewehren in Kriegsgebieten denkt.
Kindersoldaten in der Bundeswehr?
Aber gleich von Kindersoldaten sprechen, nur weil Jugendliche ab 17 Jahren eine Ausbildung bei der Bundeswehr beginnen können? Müsstet ihr dann nicht auch eine Kampagne gegen Kinderarbeit machen, weil massenweise „Kinder“ bereits mit 16 eine betriebliche Ausbildung beginnen? Das ist doch nichts als Polemik. Und man weiß schon wieder nicht, was ärgerlicher ist: eure Dramatisierung oder die damit verbundene Verharmlosung echter Kindersoldaten, die ihren Familien entrissen, geschlagen, gedemütigt, gebrochen und unter schlimmsten Bedingungen von brutalen Warlords zu Kampfhandlungen gezwungen werden.
Es scheint doch sehr, dass der Hintergrund eures Vorgehens weniger die Sorge um die Jugendlichen als das Leiden an einem infantilen Pazifismus ist. Einem Pazifismus, der kategorisch jedwede Form von Zwang und Gewalt und damit auch Militär ablehnt.
Bizarr eigentlich, dass diese Haltung gerade in Deutschland so populär ist. Sollten wir doch aus unserer Geschichte gelernt haben, dass es Schlimmeres gibt als Krieg, nämlich Tyrannei. Und dass Krieg schlicht notwendig sein kann, um Tyrannei zu beenden. Niemals wären die Nazis ohne Einsatz von Kampfpanzern und Maschinengewehren besiegt worden. Hätten die westlichen Alliierten auf Gewalt verzichtet, wäre ganz Europa unter die Nazis gefallen oder Stalin wäre bis Portugal marschiert. Oder irgendwas dazwischen. Verstörend, dass es manchmal scheint, dass die Deutschen aus der Zeit des NS vor allem die Lehre „Nie wieder Krieg!“ gezogen haben und nicht „Nie wieder Faschismus!“. So als ob das wirklich Schlimme in dieser Zeit der Krieg und nicht der Nationalsozialismus war.
Gandhi gegen Hitler
Pazifistische Mittel sind zweifelsfrei die edelsten, die der Menschheit zur Verfügung stehen. Sie sind konsequent humanistisch, stellen die Menschlichkeit absolut in den Mittelpunkt und können dabei nicht nur inspirierend sondern auch äußerst wirkmächtig sein. Das eindrücklichste Beispiel hat Gandhi gegeben, der mit ausschließlich friedlichen Mitteln gigantische Erfolge errungen hat. Sicher sollte das Mahnung sein, immer zuerst alle gewaltfreien Instrumente und Möglichkeiten voll auszuschöpfen. Aber offensichtlich stoßen pazifistische Mittel auch an Grenzen. Gandhis Erfolg lag auch darin begründet, dass seine Gegner, die Briten, zu jener Zeit ohnehin ein abnehmendes Interesse an Indien hatten und wohl auch zu zivilisiert waren um massenhaft friedliche Demonstranten zu massakrieren.
Adolf Hitler hat sich aber seinerzeit dazu geäußert, wie er vorgegangen wäre, wenn Gandhi sein Gegner gewesen wäre: Er hätte ihn einfach erschossen. Und dann nach und nach alle wichtigen Leute um ihn herum ebenso, bis Ruhe gewesen wäre (Hitler 1937 gegenüber Lord Halifax). Leider besteht überhaupt kein Zweifel daran, dass er 1. tatsächlich genau so vorgegangen wäre und 2. damit früher oder später erfolgreich gewesen wäre. Notfalls hätte er Hunderttausende oder Millionen ermordet. Wer keinerlei humanistische Maßstäbe hat, dem ist die massenhafte Ermordung pazifistischer und wehrloser Demonstranten nur eine logistische Herausforderung.
Erwachsen werden!
Jahrzehntelang haben bedeutende Teile unserer Gesellschaft eine kindlich-naive Haltung kultiviert und die Gewerkschaften waren meist mit dabei. Alles Militärische wurde als Spleen gewaltverliebter Scharfmacher betrachtet und insbesondere die USA wurden wegen eines oft idealisierenden, oft aber auch nur unverkrampften Verhältnisses zu ihrer Armee mit tiefer Verachtung gestraft. Aber gleichzeitig verließ man sich heimlich auf ihren Schutz und konnte sich nur unter dieser geopolitischen Absicherung in die Idee versteigen, dass man eigentlich gar kein Militär bräuchte und alle Konflikte im Stuhlkreis lösen könnte. Kein Wunder, dass man jenseits des Atlantiks allmählich das Verständnis dafür verliert.
Liebe GEW, wenn ihr doch bitte so realistisch sein und anerkennen möchtet, dass wir auf eine funktionierende Armee genauso wenig verzichten können wie auf die Polizei – dann könntet ihr bitte auch realisieren, dass natürlich auch die Bundeswehr Nachwuchsgewinnung betreiben muss und dafür auch um talentierte junge Leute werben muss. Warum nicht auch in Form von Infoveranstaltungen an Schulen?
Wenn wir die Bundeswehr wieder als legitimen und wichtigen Teil unserer Gesellschaft respektieren und uns darüber bewusst werden, dass demokratische Werte auch nach außen verteidigt und notfalls robust vertreten werden müssen, dann gelingt es uns vielleicht auch, in der Nachbarschaft Europas Zustände zu erreichen, in denen niemand Angst haben muss, es mit echten Kindersoldaten zu tun zu bekommen.
Mit freundlichen Grüßen,
Gero Ambrosius