Sehr geehrter Herr Schwabe,
man soll ja immer mal über den Tellerrand schauen, deshalb werfe ich gelegentlich auch einen Blick in Ihr christlich-linkes Magazin Publik-Forum. Aber beim letzten Mal habe ich mich regelrecht erschrocken! Sie sprechen ja von rechten Weltanschauungen, als hätten wir es mit einer eigenständigen und geradezu diabolischen Macht zu tun! Die „rechte Gesinnung“, die „überall wabert“ und sich „in Parlamenten manifestiert“, die es vermeidet, offen ihre „Truppen gegen die Demokratie zu führen“, um in perfider Strategie „das System“ schleichend zu zersetzen bis sich schlussendlich „ein Führer erheben“ wird. Und wer dabei Gedankengut oder Ängste mit den Hetzern teilt, marschiere mit den rassistischen Mördern Hand in Hand, stehe also quasi mit dem Teufel im Bunde. Mir wird kalt!
Auf in die Schlacht?
Selbstverständlich ist Ihnen in Ihrer Verurteilung rechtsextremer Gewalt nur zuzustimmen. Die Brutalität und die Häufung sind entsetzlich und abstoßend. Auch die Denke dahinter ist hochproblematisch. Aber es ist wie Öl ins Feuer, so zu tun, als ob es praktisch keine Unterschiede gäbe zwischen Massenmördern und „Gutbürgerlichen aus der Mitte der Gesellschaft“, die einzelne Überzeugungen der politischen Rechten teilen. Hier von unterschiedlichen Seiten derselben Medaille zu sprechen ist unlauter. Ich frage mich, ob Sie ehrlich an einer Befriedung der Gesellschaft interessiert sind, oder ob Sie nicht vielmehr die offene Schlacht wünschen: Wer nicht für mich ist, ist gegen mich, auf ins Getümmel! Wenn wir uns alle so von unseren Emotionen leiten lassen, läuft es ziemlich sicher auf weitere Eskalation hinaus.
Pauschalisierung führt zu Wut
Ihre pauschale Verurteilung stärkt doch genau die Falschen. Sie führt dazu, dass die vielen Moderaten aus Furcht vor unberechtigten Nazi-Vorwürfen schweigen und die wenigen Radikalen sich wie Volkes Herolde fühlen. Vor wenigen Jahren noch war die AfD im Wesentlichen eine Partei von Wirtschaftsprofessoren, die aus dem Euro aussteigen wollten. Wer weiß welch großen Anteil an ihrer Metamorphose die ständigen Nazi-Vorwürfe gespielt haben, gegen jeden der sich nicht über Grenzöffnungen und Homo-Ehe freut. Wer bei jeder Abweichung mit Beleidigung und Ausgrenzung rechnen muss, der wird vielleicht schweigen, aber zunehmend Wut empfinden und seine Positionen sicher eher verhärten.
Respekt statt Schwarz-Weiß-Denken
Herr Schwabe, ich finde ein christliches Magazin wie Publik-Forum täte gut daran, christliche Grundüberzeugungen in den Mittelpunkt zu stellen. Was bedeuten denn Grundsätze wie das Hinhalten der anderen Wange oder der Verzicht auf das Werfen von Steinen, wenn man selbst nicht frei von Schuld ist? Bedeuten sie nicht, dass man zuerst nach eigenen Anteilen an Problemen schauen soll? Und dass man allen, gerade auch seinen Feinden mit Mitgefühl begegnen soll? Heißt das nicht, das Menschliche in ihnen zu sehen und sie zu verstehen versuchen? In Zeiten der Polarisierung brauchen wir Besonnenheit, Differenzierung und einen respektvollen Umgang mit dem politischen Gegner. Nur weniges ist strahlendweiß oder tiefschwarz.
Mit freundlichen Grüßen,
Gero Ambrosius