Endlich mal wieder Unmutsäußerungen gegenüber dem radikalen Islam aus der politischen Linken: Kevin Kühnert und Sascha Lobo beklagen sehr zutreffend „unangenehm auffälliges Schweigen“ und „stille, linke Zerknirschtheit“ nach islamistischen Anschlägen. Anlass ist die relative Stille nach der bestialischen Enthauptung des französischen Lehrers Samuel Paty wegen einer aus extremistischer Sicht beleidigenden Methodik seines Unterrichts.
Während bei rechtsextremen Übergriffen zurecht regelmäßig große Aufregung herrscht, werden islamistische fast achselzuckend zur Kenntnis genommen. Im August kam es in Berlin auf der Stadtautobahn zu einem djihadistischen Angriff, Anfang Oktober zu einem islamistischen Messerangriff auf zwei Touristen. Ein paar Beiträge dazu, ein bisschen Betroffenheit. Aber kein Aufschrei, keine Mahnwachen, keine nennenswerten Debatten, weder von links noch von bürgerlich rechts. Und nach kurzer Zeit ist das Thema wieder aus den Medien verschwunden. Kommt vor, kann man nix machen.
Konservative und Liberale halten sich lieber zurück aus Sorge vor Islamfeindlichkeits-Vorwürfen. Linke sparen lieber ihre Energie um beim nächsten Anlass umso lauter gegen Rechtsradikale zu protestieren.
Lamya Kaddor sieht das anders. Beim Rechtsextremismus seien die Linken nur so laut, weil sie zuvor Jahrzehnte so leise waren. Und dem Islamismus gegenüber seien sie eigentlich gar nicht so leise. Das komme einem nur so vor, weil die Rechten hier so laut seien. Deswegen höre man die Linken nicht. Außerdem äußere man sich ja hierzu links vorsichtiger und bedachter, das kriegt man dann halt nicht so mit. Aber sowieso würden die Rechten ja meist nur ihre Islamfeindlichkeit rauslassen wollen und hinter ihrer vordergründig legitimen Kritik nur ihre Ablehnung von Zuwanderung und ihre völkische Agenda verbergen.
Die Linke wäre ja auch eh schon ausreichend aktiv gegen Islamismus. Das mit dem linken Appeasement gegenüber Islamisten sei nur ein rechtes Narrativ. Wenn man jetzt wie Kühnert und Lobo fordere, dass die Linke noch lauter gegen Islamismus würde, bedeutete dies ja wohl, dass man in den Chor derer einstimme, die wollen, dass man damit praktisch automatisch, relativ betrachtet, wieder leiser gegenüber dem Rechtsextremismus würde.
Sowieso sei die Linke ja so etwas wie ein natürlicher Gegner des religiösen Extremismus, weil sie liberal gegenüber Schwulen, Transgender usw. und für Frauenrechte sei. Fließende Übergänge sehe sie eh eher zur politischen Rechten. Und überhaupt, gegen Islamismus gebe es mittlerweile Deradikalisierungsprogramme, Fachstellen und vieles Tolle mehr. Aber gegen die Polizei muss man erst monatelang um eine Rechtsextremismus-Studie bitten.
Also alles gut. Fehler gibt’s nur bei den Rechten. Und vielleicht bei Linken, die ein bisschen vom Weg abkommen. So wie jetzt der Sascha und der Kevin. Aber kein Grund, jetzt groß was zu ändern.
Ein kluger, differenzierter Text, findet Aziz Bozkurt, Bundesvorsitzender der AG Migration und Vielfalt in der SPD. Solange die Rollenverteilung von Gut und Böse nicht angetastet wird, geht Zick-Zack-Argumentation als tiefsinnig durch.